Vor einigen Tagen wurde die Bevölkerung über die massiven Krankenkassenprämienerhöhungen informiert. Kurz darauf folgte ein 20 Minuten-Artikel, in welchem mit Bezug auf den Prämienschock davon gesprochen wurde, dass der Kostenanstieg in der Physiotherapie besonders hoch ist. Dass das zwar prozentual gesehen korrekt ist, die Kosten der Physiotherapie aber nur einen kleinen Teil der Gesundheitskosten ausmachen, davon ist nicht die Rede. Ganz im Gegenteil: Man könnte meinen, die Physiotherapeuten seien ganz alleine Schuld daran, dass Herr und Frau Schweizer höhere Prämien zahlen müssen.
Und wenn man denkt, es kann nicht mehr schlimmer kommen, ist zu lesen, dass Bundesrat Alain Berset per 1.1.25 in den Tarifstreit zwischen Physioswiss und den Krankenkassen eingreifen und eine
neue Tarifstruktur vorschreiben möchte. Liest man sich diese durch, könnte man meinen, die Kassen hätten sie selbst geschrieben:
- Die Taxpunkte sollen die selben bleiben - notabene seit 1997. Selbst die Teuerung wird nicht berücksichtigt. Um wie viel sind wohl Mieten, Löhne, etc. in dieser Zeit gestiegen? Die Marge ist
jetzt schon praktisch inexistent, wie soll das funktionieren?
- Zwar wird Transparenz bei der Behandlungsdauer geschaffen - bis jetzt kann ja jeder so lange behandeln, wie er möchte und kriegt gleich viel Geld dafür - doch was ist mit der ganzen Arbeit, die in Abwesenheit des Patienten anfällt, wie Dokumentation, Berichte für die Ärzte, Kommunikation mit Krankenkassen, etc.? Sollen diese weiterhin, im Gegensatz zu bsp. bei Ärzten, nicht vergütet werden? Sollen wir weiterhin kostenlos arbeiten müssen?
Lieber Bundesrat, liebes Bundesamt für Gesundheit BAG, die Kosten in der Physiotherapie steigen, weil sie etwas bringt und den Menschen hilft. Und weil die Spitäler aus Kostengründen seit 2019 zu "ambulant statt stationär" gezwungen werden (Nur, weil man jemanden früher aus dem Krankenhaus entlässt, ist er nicht automatisch gesund - sondern braucht weiterführende ambulante (Physio-)Therapie.).
Mit diesem Tarifeingriff werden die Rahmenbedingungen weiter verschlechtert, was dazu führt, dass sich der Personalmangel noch weiter akzentuieren wird. Auch ist es höchst fraglich, ob ein Physiotherapie-Unternehmen in Zukunft so noch rentabel betrieben werden kann. Patienten werden noch länger auf Therapietermine warten und in noch grösseren Abständen therapiert werden müssen - was zu zusätzlichen Kosten führen wird.
Physiotherapie ist kein Kostentreiber, sie ist ein Kostensenker, weil sie viel teurere medizinische Eingriffe verhindert und die Menschen nach einer Operation oder Erkrankung wieder schneller gesund macht. Von den präventiven Wirkungen mal ganz zu schweigen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass die Entscheider doch noch zur Vernunft kommen!
Mit Dank an Florian Schweer